Die Vollstreckung gegen Jugendliche und Heranwachsende
Die Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft
Nachtrag: Für die Vollstreckung gerichtlicher Geldbußen ist das Jugendgericht (Jugendrichter) zuständig, nicht die Staatsanwaltschaft, § 98 JGG
BGH, 2 StR 378/15
1. Eine einheitliche nachträgliche Sanktionierung nach Jugendgerichtsgesetz scheidet von vorn herein aus, wenn davon auszugehen ist, dass der Angeklagte zunächst rechtskräftig nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde und später nach Erwachsenenstrafrecht bestraft wird.
2. Nach § 105 Abs. 2 i. V. m. § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG kann zwar dann einheitlich nach Jugendstrafrecht verfahren werden, wenn ein Heranwachsender zuerst nach Erwachsenenstrafrecht rechtskräftig verurteilt worden ist und anschließend auf eine Tat, die er wiederum als Heranwachsender begangen hat, Jugendstrafrecht angewendet wird. Ist aber im anhängigen Verfahren eine Erwachsenenstraftat abzuurteilen, scheidet die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB ebenso aus wie eine einheitliche Strafe nach Jugendstrafrecht…
BGH, 2 StR 316/16
Bei Anwendung von § 31 Abs. 2 JGG (Anm.: anders als bei der Gesamtstrafenbildung gem. §§55 StGB, 460 StPO) wird nicht lediglich die Strafe, sondern das Urteil in die Bildung der Einheitsjugendstrafe übernommen. Dabei hat der Tatrichter eine neue, selbständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten vorzunehmen. Ist in der einzubeziehenden Entscheidung bereits eine frühere Entscheidung einbezogen worden, sind sämtliche Entscheidungen unter Neubewertung zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen.
OLG Stuttgart, 1 Ws 116/15
Hat der Tatrichter im Urteil für in verschiedenen Altersstufen begangene Taten gemäß § 32 JGG allgemeines Strafrecht angewendet, kann im Rahmen der Nachholung einer unterbliebenen Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO hiervon nicht abgewichen werden. (Hier ging es um die Aufrechterhaltung von Sicherungsverwahrung!)
1. Eine einheitliche nachträgliche Sanktionierung nach Jugendgerichtsgesetz scheidet von vorn herein aus, wenn davon auszugehen ist, dass der Angeklagte zunächst rechtskräftig nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde und später nach Erwachsenenstrafrecht bestraft wird.
2. Nach § 105 Abs. 2 i. V. m. § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG kann zwar dann einheitlich nach Jugendstrafrecht verfahren werden, wenn ein Heranwachsender zuerst nach Erwachsenenstrafrecht rechtskräftig verurteilt worden ist und anschließend auf eine Tat, die er wiederum als Heranwachsender begangen hat, Jugendstrafrecht angewendet wird. Ist aber im anhängigen Verfahren eine Erwachsenenstraftat abzuurteilen, scheidet die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB ebenso aus wie eine einheitliche Strafe nach Jugendstrafrecht…
BGH, 2 StR 316/16
Bei Anwendung von § 31 Abs. 2 JGG (Anm.: anders als bei der Gesamtstrafenbildung gem. §§55 StGB, 460 StPO) wird nicht lediglich die Strafe, sondern das Urteil in die Bildung der Einheitsjugendstrafe übernommen. Dabei hat der Tatrichter eine neue, selbständige, von der früheren Beurteilung unabhängige einheitliche Rechtsfolgenbemessung für die früher und jetzt abgeurteilten Taten vorzunehmen. Ist in der einzubeziehenden Entscheidung bereits eine frühere Entscheidung einbezogen worden, sind sämtliche Entscheidungen unter Neubewertung zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen.
OLG Stuttgart, 1 Ws 116/15
Hat der Tatrichter im Urteil für in verschiedenen Altersstufen begangene Taten gemäß § 32 JGG allgemeines Strafrecht angewendet, kann im Rahmen der Nachholung einer unterbliebenen Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO hiervon nicht abgewichen werden. (Hier ging es um die Aufrechterhaltung von Sicherungsverwahrung!)
Eine umfangreiche Website zur Vollstreckung gegen Jugendliche
und Heranwachsende findet sich hier:
Die Abgabe von Jugendstrafen an die Staatsanwaltschaft
Aussetzung des Strafrestes nach Übernahme der Jugendstrafe.
§ 85 JGG § 89 a JGG § 88 JGG
Die Abgabe von Jugendstrafen an die Staatsanwaltschaft
Aussetzung des Strafrestes nach Übernahme der Jugendstrafe.
§ 85 JGG § 89 a JGG § 88 JGG
§ 114 JGG neu
In der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe dürfen an Verurteilten, die das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug eignen, auch Freiheitsstrafen vollzogen werden, die nach allgemeinem Strafrecht verhängt worden sind. Das Gesetz ist schon älter, kann aber schon deshalb kaum Anwendung finden, weil fast kein Verurteilter die Voraussetzungen erfüllt.
Also nahezu überflüssig das Ganze.
Checkliste zur Prüfung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe in einer Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe (§ 114 JGG)
Das JGG bietet mit seinem § 114 eine rechtlich zulässige Möglichkeit, auch Erwachsene im Jugendstrafvollzug unterzubringen, wenn die erzieherische Einwirkung bei ihnen Erfolg verspricht. Dabei gilt immer zu berücksichtigen, dass ein negativer, schädlicher Einfluss auf andere Jugendstrafgefangene nicht zu befürchten ist.
Um eine Eignung für den Jugendstrafvollzug festzustellen, bedarf es einer individuellen Prüfung. Es müssen nicht alle nachfolgenden Kriterien erfüllt sein, sondern es zählt die „Gesamtbetrachtung".
1.)
Folgende, allgemeine Voraussetzungen müssen erfüllt sein (Prüfung durch die Erwachsenenanstalt):
Die erfolgversprechende, erzieherische Einwirkung der / des Strafgefangenen im Jugendstrafvollzug ist anhand der nachfolgenden Kriterien individuell zu prüfen (durch die zuständige Jugendanstalt):
Die / der Strafgefangene
Die für den Jugendvollzug zuständige Justizvollzugsanstalt teilt das Ergebnis ihrer Prüfung der abgebenden Justizvollzugsanstalt mit. Diese legt die Vorgänge der gemäß § 451 StPO zuständigen Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zur abschließenden Entscheidung gemäß § 114 JGG sowohl über die Überweisung als auch die endgültige Übernahme der oder des Verurteilten in die zuständige Justizvollzugsanstalt vor. Bei der abschließenden Entscheidung sind die Stellungnahmen der Jugendstrafanstalt und der Justizvollzugsanstalt zu berücksichtigen. pp.
Veröffentlicht wurde nicht, wer funktionell für die Anordnung der Übernahme zuständig ist. Da Rechtspfleger/innen grundsätzlich die "Vollstreckungsbehörde" darstellen, gehe ich von deren Zuständigkeit aus. Bei der Angelegenheit geht es darum, die Überlastung der Erwachsenen-Justizvollzugsanstalten durch Zuhilfenahme des an sich "alten" § 114 JGG etwas herunterzufahren.
In der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe dürfen an Verurteilten, die das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sich für den Jugendstrafvollzug eignen, auch Freiheitsstrafen vollzogen werden, die nach allgemeinem Strafrecht verhängt worden sind. Das Gesetz ist schon älter, kann aber schon deshalb kaum Anwendung finden, weil fast kein Verurteilter die Voraussetzungen erfüllt.
Also nahezu überflüssig das Ganze.
Checkliste zur Prüfung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe in einer Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe (§ 114 JGG)
Das JGG bietet mit seinem § 114 eine rechtlich zulässige Möglichkeit, auch Erwachsene im Jugendstrafvollzug unterzubringen, wenn die erzieherische Einwirkung bei ihnen Erfolg verspricht. Dabei gilt immer zu berücksichtigen, dass ein negativer, schädlicher Einfluss auf andere Jugendstrafgefangene nicht zu befürchten ist.
Um eine Eignung für den Jugendstrafvollzug festzustellen, bedarf es einer individuellen Prüfung. Es müssen nicht alle nachfolgenden Kriterien erfüllt sein, sondern es zählt die „Gesamtbetrachtung".
1.)
Folgende, allgemeine Voraussetzungen müssen erfüllt sein (Prüfung durch die Erwachsenenanstalt):
- Verurteilung zu einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe (ohne Anschluss-SV).
- Verurteilte dürfen das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
- Das voraussichtliche Strafende soll grundsätzlich vor Vollendung des 24. Lebensjahres liegen. Mindestverbüßungsdauer 6 Monate bis zur voraussichtlichen Entlassung (bei
- Ersatzfreiheitsstrafen
- bedarf es im Vorfeld einer besonderen Prüfung hinsicht-lich Auslösungsmöglichkeiten).
- Keine Übernahme von Terroristen / Gefährdern / Organisierter Kriminalität.
- Keine Straftäter mit erheblicher subkultureller Betätigung (vor oder während der Inhaftierung); z.B. Gewalt gegen Mitgefangene, Zugehörigkeit zu einer Rockergruppierung.
- Keine Übernahme von ehemals aus dem Jugendstrafvollzug herausgenommenen
- Gefangenen.
- Die Vollstreckungsunterlagen müssen vollständig vorliegen (insbesondere Urteil und aktueller
- BZR-Auszug).
- Der Verurteilte muss seine Verlegungsbereitschaft in den Jugendstrafvollzug signalisieren.
Die erfolgversprechende, erzieherische Einwirkung der / des Strafgefangenen im Jugendstrafvollzug ist anhand der nachfolgenden Kriterien individuell zu prüfen (durch die zuständige Jugendanstalt):
Die / der Strafgefangene
- hat mangels sozialer Kompetenzen keine adäquaten, angemessenen Konfliktlösungsmöglichkeiten;
- handelt in der Regel spontan, situativ und nicht geplant;
- kann nicht eigenständig in einer eigenen Wohnung leben;
- benötigt regelmäßig Unterstützung zur Bewältigung des Alltags (Haftalltags);
- kümmert sich nicht aktiv um eigene Belange;
- ist durch Dritte (z.B. Eltern, Peergroup) leicht beeinflussbar (auch Mitläufer);
- hat Straftaten überwiegend gemeinschaftlich begangen;
- hat keinen Schul- und/oder Berufsabschluss;
- kann nicht mit Geld umgehen;
- hat keinen Überblick über seine finanzielle Situation;
- wirkt deutlich jünger, als sie/er ist.
Die für den Jugendvollzug zuständige Justizvollzugsanstalt teilt das Ergebnis ihrer Prüfung der abgebenden Justizvollzugsanstalt mit. Diese legt die Vorgänge der gemäß § 451 StPO zuständigen Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zur abschließenden Entscheidung gemäß § 114 JGG sowohl über die Überweisung als auch die endgültige Übernahme der oder des Verurteilten in die zuständige Justizvollzugsanstalt vor. Bei der abschließenden Entscheidung sind die Stellungnahmen der Jugendstrafanstalt und der Justizvollzugsanstalt zu berücksichtigen. pp.
Veröffentlicht wurde nicht, wer funktionell für die Anordnung der Übernahme zuständig ist. Da Rechtspfleger/innen grundsätzlich die "Vollstreckungsbehörde" darstellen, gehe ich von deren Zuständigkeit aus. Bei der Angelegenheit geht es darum, die Überlastung der Erwachsenen-Justizvollzugsanstalten durch Zuhilfenahme des an sich "alten" § 114 JGG etwas herunterzufahren.