Seminar für Bedienstete des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe
Seminar beim LWL in Münster „Das 1X1 der Strafzeitberechnung“
I. Vollstreckungsarten (Rechtsfolgen)
Arten von Straftaten:
1) Verbrechen: Mindeststrafandrohung 1 Jahr ( § 12 Abs. 1 StGB) Freiheitsstrafe (§§ 249, 211, 212 StGB)
2) Vergehen: Mindeststrafandrohung unter 1Jahr ( § 12 Abs. 2 StGB) Freiheitsstrafe §§ 242, 223, 263 StGB
3) Ordnungswidrigkeiten (§ 1 OWiG)
Rechtswidrige, vorwerfbare Handlungen, die laut Gesetz oder Verordnung mit Geldbuße durch Verwaltungsbehörden/das Gericht geahndet werden können.
Vollstreckungsarten bzw. Rechtsfolgen: …(Beispiele)
Freiheitsstrafen (§§38, 39 StGB) mit (§§ 56 ff StGB) und ohne Bewährung
Maßregeln:
freiheitsentziehende Maßregeln nach § 64 StGB (Entziehungsanstalt), nach § 63 StGB (Psychiatrisches Krankenhaus), nach § 66 StGB (Sicherungsverwahrung) und
nicht freiheitsentziehende Maßregeln: …(Beispiele) Nebenfolge Verlust der Amtsfähigkeit (§ 45 StGB)
3. Vollstreckungsvoraussetzungen
Die Voraussetzungen der Vollstreckung sind vom Rechtspfleger gem. § 3 I 1 StVollstrO zu prüfen. Strafurteile (gem. § 410 III StPO sind Strafbefehle gleichgestellt) dürfen erst vollstreckt werden, wenn Rechtskraft des Urteils bzw. des Strafbefehls eintritt, (§ 449 StPO), wenn Urteil nicht mehr anfechtbar. Rechtsmittelfristen sind zu beachten (§§ 314, 341, 43 StPO), Rechtskraftbescheinigung liegt vor. (§ 451 Abs.1 StPO), Vollstreckbare Urteilsformel, keine Vollstreckungshindernisse:
Verjährung - Strafausstand, Strafaufschub, § 455 StPO - Vollstreckungsaufschub und -unterbrechung , § 455a StPO - Strafaufschub, § 456 StPO - Grundsatz der Spezialität, Nr. 100 RiVASt, -§ 11 IRG - Immunität
Nummer 100 RiVASt – Spezialität und Nachtragsersuchen
§ 11 IRG-Spezialität
Die Auslieferung ist nur unter gewissen Umständen zulässig. Nur Verfahren, für die ausgeliefert wird, dürfen vollstrecken, für alle anderen gilt die Spezialitätenfrist, meistens 1 Monat
5. Die Rechtskraft als Vollstreckungsvoraussetzung
Formell rechtskräftig sind Entscheidungen, wenn sie mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden können (z. B. die Verwerfung der Revision durch Urteil, § 354 Abs. 1 StPO, oder die Verwerfungsbeschlüsse der Revisionsgerichte nach § 349 Abs. 1 StPO), die Rechtsmittelfrist ungenutzt verstreicht oder auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet wird oder diese zurückgenommen werden
Vorschriften: §§ 314, 341, 43 StPO § 34a StPO
Durchbrechung der Rechtskraft: Wiederaufnahmeverfahren, § 359 StPO, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, § 44 StPO
Zuständigkeiten in der Vollstreckung
1. Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde
Sachlich zuständig ist grundsätzlich die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§§ 451 StPO, 91 OWiG). Örtlich zuständig ist die Staatsanwaltschaft im Bezirk des Gerichtes des ersten Rechtszuges (§§ 143 GVG, 13 JustG NRW, 7 StVollStrO).
2. Aufgaben des Rechtspflegers
Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (§ 31 II 1, III und V RPflG; eingeschränkt durch § 31 II 2 RPflG, unter anderem für folgende Aufgaben:
die Gewährung von Strafaufschub und die Strafunterbrechung (§§ 455, 456 StPO), das Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung (§ 456 a StPO), die Anrechnung von Krankenhausaufenthalt auf die Vollstreckung (§ 461 Abs.1 StPO), die Entscheidungen nach § 35 Abs. 1 – 5 BtMG sowie die Anträge und Stellungnahmen in den in § 35 Abs. 1, 2 BtMG (der ebenfalls noch genannte § 35 Abs. 6 S. 2 ist im BtMG nicht mehr enthalten) genannten Fällen. Hierzu gehörten namentlich die Zurückstellung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie die hiermit verbundenen gerichtlichen Anträge und Stellungnahmen. Ferner der Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung, Anträge und Stellungnahmen zur Anrechnung des Aufenthalts in einer Einrichtung auf die Strafe und zur Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gem. § 36 Abs. 5 BtMG sowie die Bearbeitung von Beschwerden gegen die insoweit ergangenen Entscheidungen, die Entscheidungen über die Anwendbarkeit eines Straffreiheits-gesetzes, die Entscheidungen über die Reihenfolge der Vollstreckung bei Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder die Reihenfolge bei mehreren solcher Maßregeln in verschiedenen Verfahren
Allgemeine Grundsätze Nachdruck und Beschleunigung (§ 2 I StVollstrO), Angemessenheit der Maßnahmen (§ 3 I 2 StVollstrO).
Die Berechnung von Freiheitsstrafen und Maßregeln - Grundlagen -
Die Berechnung von Freiheitsstrafen erfolgt nach den §§ 37 ff StVollstrO, die Vorschriften der Fristenberechnung (nach BGB, ZPO, §§ 42, 43 StPO gelten nicht).
§ 37 StVollstrO – Allgemeine Regeln für die Strafzeitberechnung
Beginn:
17.08.2011 TB
+ 8 Monate
=
17.04.2011 TB
=
16.04.2011 TE
Strafbeginn, § 38 StVollstrO
Die Strafe beginnt mit
Anrechnung von Freiheitsentziehung, §§ 39, 39 a StVollstrO
Auf die Freiheitstrafe anzurechnen sind:
Festnahme durch Polizei: Alle aus Anlass der Tat, nicht zur Personalien-feststellung, Ausnüchterung, Verhinderung weitere Straftaten, § 113 PolG
Wie wird angerechnet, § 39 Abs. 4 StVollstrO?
Vom errechneten Strafende rückwärts, anders, wenn dies günstiger ist.
§ 40 StVollstrO – Berechnung des Strafrestes
(1) Bei Strafunterbrechung Berechnung des Strafrestes nach Tagen, bei einer Vollzugsdauer bis zu 1 Woche nach Stunden …
(2) Wiederbeginn = Antritt oder Festnahme
§ 41 StVollstrO – Berechnung der Strafzeit bei Gesamtstrafen und bei anderweitiger Verurteilung
(1) Beginn des Strafvollzuges bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung (§ 51 Absatz 2, 3 StGB) = einbezogene Strafe, wenn diese bereits anvollstreckt war
(2) Eine nachträgliche …Gesamtstrafe (§ 460 StPO) wird schon vor ihrer Rechtskraft der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde gelegt, wenn sie dem Antrag der Staatsanwaltschaft entspricht oder diese von einer sofortigen Beschwerde absieht. Dies gilt auch dann, wenn das Strafende vor der Rechtskraft dieses Beschlusses eintritt.
(2) Die Vollstreckungsbehörde bestimmt, in welcher Reihenfolge die Freiheitsstrafe und die Maßregel zu vollstrecken sind. § 44 Absatz 4 gilt sinngemäß.
Maßregelvollstreckung (hier überwiegend Unterbringung gem. § 64 StGB)
Überwiegende Praxis bei der Staatsanwaltschaft:
Die Terminhandakte ist dem zuständigen Rechtspfleger / Maßregelvollzugs-Koordinator nach Rückkehr von der Hauptverhandlung sofort vorzulegen, damit dieser sofort um Zuweisung eines Maßregelplatzes beim zuständigen Landschaftsverband (im OLG Bezirk Hamm der Landschaftsverband (LWL) Westfalen-Lippe, Maßregelvollzugsabteilung in Münster) nachsuchen und ein vorläufiges Unterbringungsersuchen nebst vollstreckbarer Urteilsformel, BZR-Auszug, Anklage, Gutachten etc. an den Landschaftsverband übermitteln kann. Im Hinblick auf PEPP§Y sollte eine Maßregel (1600 Punkte) von der Servicekraft vor einer zugleich abgeurteilten Freiheitsstrafe (400 Punkte) in MESTA eingetragen werden. Der zuständige Rechtspfleger sendet bei Einleitung der Vollstreckung das endgültige Unterbringungs-Ersuchen mit Urteil, BZR-Auszug, etwaigen Gutachten ausschließlich an den Landschaftsverband (im Einflussbereich des LWL Münster)
Beginn der Unterbringung ( § 67 d Abs. 1 StGB)
Tatsächliche Aufnahme des Verurteilten in der Maßregeleinrichtung; Ist der Verurteilte einstweilen untergebracht, beginnt die Maßregel ab Rechtskraft. Ist einige Tage vorher kein Maßregelplatz-Platz gefunden, ist dem Justizminister zu berichten. Ggf. muss der Verurteilte solange entlassen werden, bis ein Platz gefunden ist!
§ 67 d Abs.1 S.1 StGB:
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf 2 Jahre nicht übersteigen.
Beachte: Dies ist die grundsätzliche Dauer der Maßregel ohne jegliche Anrechnung.
§ 67 Abs. 4 StGB:
Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Erledigung von bis zu 2/3 einer oder mehrerer gleichzeitig im Urteil verhängter Schattenstrafe(n) durch Anrechnung der Maßregel; nach herrschender Meinung übrigens auch dann, wenn die Freiheitstrafe deutlich höher ist als die grundsätzlich 2-jährige Maßregelhöchstdauer oder, wenn die gleichzeitig verhängte(n) Freiheitsstrafe(n) zur Bewährung (!) ausgesetzt wurde(n), Fischer StGB, 21 zu § 67 StGB.
§ 67 d Abs.1 S. 3 StGB:
Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.
§ 67 Abs. 5 StGB:
Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 (siehe unten) zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist.
§ 67e StGB, Überprüfung
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
2. Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.
(3) 1Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. 2Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) 1Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. 2Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Beispiel: Die Strafe beträgt sieben Monate und zwei Wochen.
Antritt am 23.02.2012 TB. Nichts anzurechnen. Es sind zwei Drittel zu berechnen.
Beginn:
23.02.2012 TB
+ 7 Monate
=
23.09.2012 TB
+ 2 Wochen = 14 Tage
=
06.10.2012 TE
Methode „abstrakt vorwärts“=Abrundung
7 Monate : 3 = 2 1/3 Monate x 2 = 4 2/3 = 4 Monate + 20 Tage
2 Wochen = 14 Tage : 3 = 4 2/3 Tage x 2 = 9 1/3 = 9 Tage
Somit 2/3 der Strafe: 4 Monate + 20 Tage
+ 9 Tage
Summe: 4 Monate + 29 Tage
Beginn:
23.02.2012 TB
+ 4 Monate
=
23.06.2012 TB
+ 29 Tage
=
21.07.2012 TE
Methode „abstrakt rückwärts“=Aufrundung
7 Monate : 3 = 2 1/3 Monate = 2 Monate + 10 Tage
2 Wochen = 14 Tage : 3 = 4 2/3 Tage = 5 Tage
Somit 1/3 der Strafe 2 Monate + 10 Tage
+ 5 Tage
Summe: 2 Monate + 15 Tage
Ende:
06.10.2012 TE
./. 15 Tage
=
21.09.2012 TE
./. 2 Monate
=
21.07.2012 TE
Methode – „konkret vorwärts“ = Abrundung
Strafzeit vom 23.02.2012 TB bis zum 6.10.2012 TE = 227 Tage
2/3 = 227 Tage : 3 = 75
2/3 Tage x 2 = 151 1/3 Tage= 151 Tage Abrundung aus den gleichen Gründen wie vorhin.
Beginn:
23.02.2012 TB
+ 151 Tage
=
22.07.2012 TE
Methode „konkret rückwärts“ = Aufrundung
1/3 der Strafzeit = 227 Tage : 3 = 75 2/3 = 76 Tage Aufrundung aus den gleichen Gründen wie vorhin.
Ende: 06.10.2012 TE
./. 76 Tage
= 22.07.2012 TE
Die gleiche Strafzeitberechnung mit DS 2000
Strafbeginn
23.02.2012 TB
+
7
Monate
+
2
Wochen
U-Haft
vom
bis
Tage
-
-
-
Anzurechnen
-
-
Unterbrechungen
am
Rest
Wiederbeginn
Ende
-
-
-
-
Strafende
06.10.2012 TE
2/3-Termine
Günstigster
21.07.2012 TE
AR
21.07.2012 TE
AV
21.07.2012 TE
KR
22.07.2012 TE
KV
22.07.2012 TE
2 Monate
22.04.2012 TE
1/2-Termine
Günstigster
---
AR
14.06.2012 TE
AV
13.06.2012 TE
KR
14.06.2012 TE
KV
14.06.2012 TE
6 Monate
22.08.2012 TE
§ 67h, Befristete Wieder-Invollzugsetzung; Krisenintervention
Entsprechende Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung:
§ 44 a Abs. 1, S. 1StVollstrO:
Bei Maßregel und Strafe aus demselben Verfahren wird die Maßregel vor der Strafe vollstreckt.
§ 44 a Abs. 1, S. 2 StVollstrO:
Wird die Maßregel vor der Strafe vollstreckt, wird sie ganz oder teilweise auf bis zu 2/3 der Strafe angerechnet.
§ 44 b Abs.: 1 StVollstrO
Bei Maßregel und Strafe aus verschiedenen Verfahren soll die Maßregel vor der Strafe vollstreckt werden, um später die endgültige Entlassung zu erreichen.
§ 44 b Abs. 2 StVollstrO: Dabei findet keine Anrechnung statt.
OLG Hamm, 5 Ws 231/14; 5 Ws 232/14
§ 44 b StVollstrO, der über § 50 Abs. 1 StVollStrO auch für Ersatzfreiheitsstrafen gilt, sieht ausdrücklich vor, dass eine Freiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden kann, sofern der Zweck der Maßregel durch den vorherigen Vollzug der Freiheitsstrafe leichter erreicht wird.
Beachte: Die Maßregel wird ohne Genehmigung in Unterbrechung einer fremden Strafe vollstreckt; dies folgt aus dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn der Maßregel, so auch Fischer StGB, 3 zu § 67 StGB
Ende der Unterbringung
§ 67 d Abs. 4 StGB
Erreichen der Höchstfrist bei der Unterbringung gem. § 64 StGB = Eintritt von Führungsaufsicht
§ 67 d Abs. 2 StGB
Zum Überprüfungszeitpunkt gem. § 67 e StGB wird die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt = Eintritt von Führungsaufsicht
§ 67 d Abs. 5 StGB
Unterbringung gem. § 64 StGB wird für erledigt erklärt = Eintritt von Führungsaufsicht;
Die Strafvollstreckungskammer muss gleichzeitig über den Strafrest entscheiden. Die Überführung in die zuständige JVA ist sofort zu veranlassen mit Formular GTV 1.
Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 72/16:
1. Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen die Entscheidung der Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67 d Abs. 5 StGB hat keine aufschiebende Wirkung. 2. Der Untergebrachte kann die Verlegung in die Strafhaft (nur) durch einen Antrag, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung gemäß § 307 Abs. 2 StPO auszusetzen, verhindern.
§ 67 d Abs. 6 StGB
Unterbringung gem. § 63 StGB wird für erledigt erklärt
= Eintritt von Führungsaufsicht (Abweichung möglich)
§ 67 f StGB:
Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt. = Keine Führungsaufsicht
Wichtig außerdem:
§ 67 h StGB, Krisenintervention (Befristete Wieder-Invollzugsetzung bei ausgesetzter Maßregel)
Grundfrist (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB) zzgl. des anrechnungsfähigen Teils der Maßregel nach § 67 Abs. 4 StGB abzgl. anderweitig erledigter Teile der Strafe (z.B. §§ 51 StGB; 81, 126 a StPO)
U-Haft tHaftHaftHaft
Strafe min. U-Haft
Rest-Drittel
anrechenbar
Verlängerung
Restdrittel
U-Haft tHaftHaftHaft
Organisations-haft
Verlängerung
Maßregel 2 Jahre
Restdrittel minus Organisationshaft
Strafe - U-Haft
Restdrittel
U-Haft
Strafe-U-Haft
Restdrittel
Verlängerung
Restdrittel minus Organisationshaft
anrechenbar
Organisationshaft
Maßregel 2 Jahre
Maßregel 2 Jahre
2 Ws 332/00
Wichtig: auch vorläufige Unterbringung gem. §§ 81, 126 a StPO wird auf Strafe angerechnet!
BVerfG 2 BVR 1019/01:
Das BVerfG hat die Organisationshaft als „gesetzlich nicht vorgesehen(e)“ und einen „Verstoß gegen § 67“ begründende - „Regelwidrigkeit“ bezeichnet. Für die Zeit von der Rechtskraft bis zur Überführung in die Maßregel, die sogenannte Organisationsfrist, gibt es keine „feste Zeitspanne“; die StA hat alle Mittel auszuschöpfen, um den Verurteilten schnellstmöglich in die MR zu überführen, notfalls in einem anderen Bundesland. Merke: Falls kein Platz zur Verfügung steht, Bericht an den MdJ!
Berechnung der Maßregelhöchstfrist Praxismethode mit Organisationshaft:
I. Vollstreckungsarten (Rechtsfolgen)
Arten von Straftaten:
1) Verbrechen: Mindeststrafandrohung 1 Jahr ( § 12 Abs. 1 StGB) Freiheitsstrafe (§§ 249, 211, 212 StGB)
2) Vergehen: Mindeststrafandrohung unter 1Jahr ( § 12 Abs. 2 StGB) Freiheitsstrafe §§ 242, 223, 263 StGB
3) Ordnungswidrigkeiten (§ 1 OWiG)
Rechtswidrige, vorwerfbare Handlungen, die laut Gesetz oder Verordnung mit Geldbuße durch Verwaltungsbehörden/das Gericht geahndet werden können.
Vollstreckungsarten bzw. Rechtsfolgen: …(Beispiele)
Freiheitsstrafen (§§38, 39 StGB) mit (§§ 56 ff StGB) und ohne Bewährung
Maßregeln:
freiheitsentziehende Maßregeln nach § 64 StGB (Entziehungsanstalt), nach § 63 StGB (Psychiatrisches Krankenhaus), nach § 66 StGB (Sicherungsverwahrung) und
nicht freiheitsentziehende Maßregeln: …(Beispiele) Nebenfolge Verlust der Amtsfähigkeit (§ 45 StGB)
3. Vollstreckungsvoraussetzungen
Die Voraussetzungen der Vollstreckung sind vom Rechtspfleger gem. § 3 I 1 StVollstrO zu prüfen. Strafurteile (gem. § 410 III StPO sind Strafbefehle gleichgestellt) dürfen erst vollstreckt werden, wenn Rechtskraft des Urteils bzw. des Strafbefehls eintritt, (§ 449 StPO), wenn Urteil nicht mehr anfechtbar. Rechtsmittelfristen sind zu beachten (§§ 314, 341, 43 StPO), Rechtskraftbescheinigung liegt vor. (§ 451 Abs.1 StPO), Vollstreckbare Urteilsformel, keine Vollstreckungshindernisse:
Verjährung - Strafausstand, Strafaufschub, § 455 StPO - Vollstreckungsaufschub und -unterbrechung , § 455a StPO - Strafaufschub, § 456 StPO - Grundsatz der Spezialität, Nr. 100 RiVASt, -§ 11 IRG - Immunität
Nummer 100 RiVASt – Spezialität und Nachtragsersuchen
§ 11 IRG-Spezialität
Die Auslieferung ist nur unter gewissen Umständen zulässig. Nur Verfahren, für die ausgeliefert wird, dürfen vollstrecken, für alle anderen gilt die Spezialitätenfrist, meistens 1 Monat
5. Die Rechtskraft als Vollstreckungsvoraussetzung
Formell rechtskräftig sind Entscheidungen, wenn sie mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden können (z. B. die Verwerfung der Revision durch Urteil, § 354 Abs. 1 StPO, oder die Verwerfungsbeschlüsse der Revisionsgerichte nach § 349 Abs. 1 StPO), die Rechtsmittelfrist ungenutzt verstreicht oder auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet wird oder diese zurückgenommen werden
Vorschriften: §§ 314, 341, 43 StPO § 34a StPO
Durchbrechung der Rechtskraft: Wiederaufnahmeverfahren, § 359 StPO, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, § 44 StPO
Zuständigkeiten in der Vollstreckung
1. Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde
Sachlich zuständig ist grundsätzlich die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§§ 451 StPO, 91 OWiG). Örtlich zuständig ist die Staatsanwaltschaft im Bezirk des Gerichtes des ersten Rechtszuges (§§ 143 GVG, 13 JustG NRW, 7 StVollStrO).
2. Aufgaben des Rechtspflegers
Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (§ 31 II 1, III und V RPflG; eingeschränkt durch § 31 II 2 RPflG, unter anderem für folgende Aufgaben:
die Gewährung von Strafaufschub und die Strafunterbrechung (§§ 455, 456 StPO), das Absehen von der Vollstreckung bei Auslieferung (§ 456 a StPO), die Anrechnung von Krankenhausaufenthalt auf die Vollstreckung (§ 461 Abs.1 StPO), die Entscheidungen nach § 35 Abs. 1 – 5 BtMG sowie die Anträge und Stellungnahmen in den in § 35 Abs. 1, 2 BtMG (der ebenfalls noch genannte § 35 Abs. 6 S. 2 ist im BtMG nicht mehr enthalten) genannten Fällen. Hierzu gehörten namentlich die Zurückstellung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie die hiermit verbundenen gerichtlichen Anträge und Stellungnahmen. Ferner der Widerruf der Zurückstellung der Strafvollstreckung, Anträge und Stellungnahmen zur Anrechnung des Aufenthalts in einer Einrichtung auf die Strafe und zur Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung gem. § 36 Abs. 5 BtMG sowie die Bearbeitung von Beschwerden gegen die insoweit ergangenen Entscheidungen, die Entscheidungen über die Anwendbarkeit eines Straffreiheits-gesetzes, die Entscheidungen über die Reihenfolge der Vollstreckung bei Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung oder die Reihenfolge bei mehreren solcher Maßregeln in verschiedenen Verfahren
Allgemeine Grundsätze Nachdruck und Beschleunigung (§ 2 I StVollstrO), Angemessenheit der Maßnahmen (§ 3 I 2 StVollstrO).
Die Berechnung von Freiheitsstrafen und Maßregeln - Grundlagen -
Die Berechnung von Freiheitsstrafen erfolgt nach den §§ 37 ff StVollstrO, die Vorschriften der Fristenberechnung (nach BGB, ZPO, §§ 42, 43 StPO gelten nicht).
- Die Vorberechnung erfolgt durch die Vollzugsanstalt (JVA, Forensik u.a.), § 35 StVollStrO
- Die Überwachung obliegt der Vollstreckungsbehörde, § 36 StVollstrO
§ 37 StVollstrO – Allgemeine Regeln für die Strafzeitberechnung
- (1) Die Strafzeit ist für jede selbständige Strafe getrennt zu berechnen
- < >§ 39 StGB ausgesprochenen Strafe führt. Bei mehr als zwei Monaten und bei lebenslangen Freiheitsstrafen Berechnung des Zeitpunktes, gem. § 57 Absatz 1, 2 Nummer 1, § 57a Absatz 1 StGB
- (2) Strafvollzug unter einer Woche = Berechnung nach Stunden; Umstände, die im Laufe einer Stunde eintreten, gelten als zu Beginn der Stunde eingetreten.
- Länger Vollzugsdauer = Berechnung nach Tagen; Umstände, die im Laufe eine Tages eintreten, gelten als zu Beginn des Tages eingetreten.
- Die im Laufe einer Stunde …oder eines Tages …eingetretenen Umstände gelten …als am Ende der Stunde oder des Tages eingetreten, wenn dies für den Verurteilten ist.
- (3) ...
- (4) Der Tag ist zu 24 Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr sind nach der Kalenderzeit zu berechnen. Demgemäß ist bei der Berechnung nach Monaten oder Jahren bis zu dem Tage zu rechnen, der durch seine Zahl dem Anfangstage entspricht. Fehlt dieser Tag in dem maßgebenden Monat, so tritt an seine Stelle dessen letzter Tag.
- (5) Treffen mehrere Zeiteinheiten zusammen, so geht bei Vorwärtsrechnung die größere Zeiteinheit der kleineren, bei Rückwärtsrechnung die kleinere der größeren vor.
Beginn:
17.08.2011 TB
+ 8 Monate
=
17.04.2011 TB
=
16.04.2011 TE
Strafbeginn, § 38 StVollstrO
Die Strafe beginnt mit
- Strafantritt
- Rechtskraft, wenn in dieser Sache U-Haft verbüßt wird
- Bei verspätetem Rechtsmittel des U-Häftlings mit Ablauf der Rechtsmittelfrist
- Bei U-Haft in anderer Sache mit Eingang des eigenen Aufnahmeersuchens
Anrechnung von Freiheitsentziehung, §§ 39, 39 a StVollstrO
Auf die Freiheitstrafe anzurechnen sind:
- Untersuchungshaft, § 39 Abs. 1 StVollstro
- Andere Freiheitsentziehung, § 39 Abs. 3 StVollstrO
- Haft aufgrund vorläufiger Festnahme durch eine Amtsperson
- (vorläufige) Auslieferungshaft
- Vorläufige Unterbringung, §§ 81, 126 a StPO, 71 Abs. 2, 73 Abs. 1 JGG
- Disziplinararrest
- Geldstrafe, § 39 Abs. 5 StVollstrO; 1 Tagessatz = 1 Tag Freiheitsentziehung
- Ausländische Freiheitsentziehung, §§ 39 Abs. 5 S. 2 StVollstrO, 450 a Abs. 1 und 3, S. 2 StPO; Berechnungsmaßstab meist aufgrund Beschlussfassung des zuständigen Landgerichtes; Nichtanrechnung aufgrund Antrages der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwalt, § 451 Abs. 2 StPO)
Festnahme durch Polizei: Alle aus Anlass der Tat, nicht zur Personalien-feststellung, Ausnüchterung, Verhinderung weitere Straftaten, § 113 PolG
Wie wird angerechnet, § 39 Abs. 4 StVollstrO?
Vom errechneten Strafende rückwärts, anders, wenn dies günstiger ist.
§ 40 StVollstrO – Berechnung des Strafrestes
(1) Bei Strafunterbrechung Berechnung des Strafrestes nach Tagen, bei einer Vollzugsdauer bis zu 1 Woche nach Stunden …
(2) Wiederbeginn = Antritt oder Festnahme
§ 41 StVollstrO – Berechnung der Strafzeit bei Gesamtstrafen und bei anderweitiger Verurteilung
(1) Beginn des Strafvollzuges bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung (§ 51 Absatz 2, 3 StGB) = einbezogene Strafe, wenn diese bereits anvollstreckt war
(2) Eine nachträgliche …Gesamtstrafe (§ 460 StPO) wird schon vor ihrer Rechtskraft der Strafzeitberechnung vorläufig zugrunde gelegt, wenn sie dem Antrag der Staatsanwaltschaft entspricht oder diese von einer sofortigen Beschwerde absieht. Dies gilt auch dann, wenn das Strafende vor der Rechtskraft dieses Beschlusses eintritt.
(2) Die Vollstreckungsbehörde bestimmt, in welcher Reihenfolge die Freiheitsstrafe und die Maßregel zu vollstrecken sind. § 44 Absatz 4 gilt sinngemäß.
Maßregelvollstreckung (hier überwiegend Unterbringung gem. § 64 StGB)
Überwiegende Praxis bei der Staatsanwaltschaft:
Die Terminhandakte ist dem zuständigen Rechtspfleger / Maßregelvollzugs-Koordinator nach Rückkehr von der Hauptverhandlung sofort vorzulegen, damit dieser sofort um Zuweisung eines Maßregelplatzes beim zuständigen Landschaftsverband (im OLG Bezirk Hamm der Landschaftsverband (LWL) Westfalen-Lippe, Maßregelvollzugsabteilung in Münster) nachsuchen und ein vorläufiges Unterbringungsersuchen nebst vollstreckbarer Urteilsformel, BZR-Auszug, Anklage, Gutachten etc. an den Landschaftsverband übermitteln kann. Im Hinblick auf PEPP§Y sollte eine Maßregel (1600 Punkte) von der Servicekraft vor einer zugleich abgeurteilten Freiheitsstrafe (400 Punkte) in MESTA eingetragen werden. Der zuständige Rechtspfleger sendet bei Einleitung der Vollstreckung das endgültige Unterbringungs-Ersuchen mit Urteil, BZR-Auszug, etwaigen Gutachten ausschließlich an den Landschaftsverband (im Einflussbereich des LWL Münster)
Beginn der Unterbringung ( § 67 d Abs. 1 StGB)
Tatsächliche Aufnahme des Verurteilten in der Maßregeleinrichtung; Ist der Verurteilte einstweilen untergebracht, beginnt die Maßregel ab Rechtskraft. Ist einige Tage vorher kein Maßregelplatz-Platz gefunden, ist dem Justizminister zu berichten. Ggf. muss der Verurteilte solange entlassen werden, bis ein Platz gefunden ist!
§ 67 d Abs.1 S.1 StGB:
Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt darf 2 Jahre nicht übersteigen.
Beachte: Dies ist die grundsätzliche Dauer der Maßregel ohne jegliche Anrechnung.
§ 67 Abs. 4 StGB:
Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Erledigung von bis zu 2/3 einer oder mehrerer gleichzeitig im Urteil verhängter Schattenstrafe(n) durch Anrechnung der Maßregel; nach herrschender Meinung übrigens auch dann, wenn die Freiheitstrafe deutlich höher ist als die grundsätzlich 2-jährige Maßregelhöchstdauer oder, wenn die gleichzeitig verhängte(n) Freiheitsstrafe(n) zur Bewährung (!) ausgesetzt wurde(n), Fischer StGB, 21 zu § 67 StGB.
§ 67 d Abs.1 S. 3 StGB:
Wird vor einer Freiheitsstrafe eine daneben angeordnete freiheitsentziehende Maßregel vollzogen, so verlängert sich die Höchstfrist um die Dauer der Freiheitsstrafe, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird.
§ 67 Abs. 5 StGB:
Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 (siehe unten) zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist.
§ 67e StGB, Überprüfung
- Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.
- Die Fristen betragen bei der Unterbringungin einer Entziehungsanstalt sechs Monate,in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr, in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.
- Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.
- Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.
Wichtig: Die Frist beginnt mit der Entscheidung von neuem, nicht mit der Entscheidung über eine eingelegte sofortige Beschwerde (herrschende Meinung)
§ 57 StGB, Aussetzung des Strafrestes bei zeitiger Freiheitsstrafe
(1) 1Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, verbüßt sind,
2.
dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann, und
3.
die verurteilte Person einwilligt.
2. Bei der Entscheidung sind insbesondere die Persönlichkeit der verurteilten Person, ihr Vorleben, die Umstände ihrer Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten der verurteilten Person im Vollzug, ihre Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für sie zu erwarten sind.
(2) Schon nach Verbüßung der Hälfte einer zeitigen Freiheitsstrafe, mindestens jedoch von sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes zur Bewährung aussetzen, wenn
1.
die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
2.
die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, daß besondere Umstände vorliegen,
und die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind.
(3) 1Die §§ 56a bis 56e gelten entsprechend; die Bewährungszeit darf, auch wenn sie nachträglich verkürzt wird, die Dauer des Strafrestes nicht unterschreiten. 2Hat die verurteilte Person mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbüßt, bevor deren Rest zur Bewährung ausgesetzt wird, unterstellt sie das Gericht in der Regel für die Dauer oder einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines Bewährungshelfers.
(4) Soweit eine Freiheitsstrafe durch Anrechnung erledigt ist, gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne der Absätze 1 bis 3.
(5) 1Die §§ 56f und 56g gelten entsprechend. 2Das Gericht widerruft die Strafaussetzung auch dann, wenn die verurteilte Person in der Zeit zwischen der Verurteilung und der Entscheidung über die Strafaussetzung eine Straftat begangen hat, die von dem Gericht bei der Entscheidung über die Strafaussetzung aus tatsächlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnte und die im Fall ihrer Berücksichtigung zur Versagung der Strafaussetzung geführt hätte; als Verurteilung gilt das Urteil, in dem die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(6) Das Gericht kann davon absehen, die Vollstreckung des Restes einer zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, wenn die verurteilte Person unzureichende oder falsche Angaben über den Verbleib von Gegenständen macht, die der Einziehung von Taterträgen unterliegen.
(7) Das Gericht kann Fristen von höchstens sechs Monaten festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag der verurteilten Person, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
Beispiel: Die Strafe beträgt sieben Monate und zwei Wochen.
Antritt am 23.02.2012 TB. Nichts anzurechnen. Es sind zwei Drittel zu berechnen.
Beginn:
23.02.2012 TB
+ 7 Monate
=
23.09.2012 TB
+ 2 Wochen = 14 Tage
=
06.10.2012 TE
Methode „abstrakt vorwärts“=Abrundung
7 Monate : 3 = 2 1/3 Monate x 2 = 4 2/3 = 4 Monate + 20 Tage
2 Wochen = 14 Tage : 3 = 4 2/3 Tage x 2 = 9 1/3 = 9 Tage
Somit 2/3 der Strafe: 4 Monate + 20 Tage
+ 9 Tage
Summe: 4 Monate + 29 Tage
Beginn:
23.02.2012 TB
+ 4 Monate
=
23.06.2012 TB
+ 29 Tage
=
21.07.2012 TE
Methode „abstrakt rückwärts“=Aufrundung
7 Monate : 3 = 2 1/3 Monate = 2 Monate + 10 Tage
2 Wochen = 14 Tage : 3 = 4 2/3 Tage = 5 Tage
Somit 1/3 der Strafe 2 Monate + 10 Tage
+ 5 Tage
Summe: 2 Monate + 15 Tage
Ende:
06.10.2012 TE
./. 15 Tage
=
21.09.2012 TE
./. 2 Monate
=
21.07.2012 TE
Methode – „konkret vorwärts“ = Abrundung
Strafzeit vom 23.02.2012 TB bis zum 6.10.2012 TE = 227 Tage
2/3 = 227 Tage : 3 = 75
2/3 Tage x 2 = 151 1/3 Tage= 151 Tage Abrundung aus den gleichen Gründen wie vorhin.
Beginn:
23.02.2012 TB
+ 151 Tage
=
22.07.2012 TE
Methode „konkret rückwärts“ = Aufrundung
1/3 der Strafzeit = 227 Tage : 3 = 75 2/3 = 76 Tage Aufrundung aus den gleichen Gründen wie vorhin.
Ende: 06.10.2012 TE
./. 76 Tage
= 22.07.2012 TE
Die gleiche Strafzeitberechnung mit DS 2000
Strafbeginn
23.02.2012 TB
+
7
Monate
+
2
Wochen
U-Haft
vom
bis
Tage
-
-
-
Anzurechnen
-
-
Unterbrechungen
am
Rest
Wiederbeginn
Ende
-
-
-
-
Strafende
06.10.2012 TE
2/3-Termine
Günstigster
21.07.2012 TE
AR
21.07.2012 TE
AV
21.07.2012 TE
KR
22.07.2012 TE
KV
22.07.2012 TE
2 Monate
22.04.2012 TE
1/2-Termine
Günstigster
---
AR
14.06.2012 TE
AV
13.06.2012 TE
KR
14.06.2012 TE
KV
14.06.2012 TE
6 Monate
22.08.2012 TE
§ 67h, Befristete Wieder-Invollzugsetzung; Krisenintervention
- Während der Dauer der Führungsaufsicht kann das Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach § 63 oder § 64 für eine Dauer von höchstens drei Monaten wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung des Zustands der aus der Unterbringung entlassenen Person oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden…
Wichtige (Verweisungs-) Vorschrift:
§ 463 StPO, Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung - …Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist….
- …Im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e des Strafgesetzbuches soll das Gericht nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63) das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für das Verfahren nach Satz 1 einen Verteidiger.
- § 455 Abs. 1 (Aufschub wegen Haftunfähigkeit) ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.
- § 462 gilt auch für die nach § 67 Abs. 3 und Abs. 5 Satz 2, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.
- Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich. …
Entsprechende Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung:
§ 44 a Abs. 1, S. 1StVollstrO:
Bei Maßregel und Strafe aus demselben Verfahren wird die Maßregel vor der Strafe vollstreckt.
§ 44 a Abs. 1, S. 2 StVollstrO:
Wird die Maßregel vor der Strafe vollstreckt, wird sie ganz oder teilweise auf bis zu 2/3 der Strafe angerechnet.
§ 44 b Abs.: 1 StVollstrO
Bei Maßregel und Strafe aus verschiedenen Verfahren soll die Maßregel vor der Strafe vollstreckt werden, um später die endgültige Entlassung zu erreichen.
§ 44 b Abs. 2 StVollstrO: Dabei findet keine Anrechnung statt.
OLG Hamm, 5 Ws 231/14; 5 Ws 232/14
§ 44 b StVollstrO, der über § 50 Abs. 1 StVollStrO auch für Ersatzfreiheitsstrafen gilt, sieht ausdrücklich vor, dass eine Freiheitsstrafe vor der Maßregel vollzogen werden kann, sofern der Zweck der Maßregel durch den vorherigen Vollzug der Freiheitsstrafe leichter erreicht wird.
Beachte: Die Maßregel wird ohne Genehmigung in Unterbrechung einer fremden Strafe vollstreckt; dies folgt aus dem vom Gesetzgeber gewollten Sinn der Maßregel, so auch Fischer StGB, 3 zu § 67 StGB
Ende der Unterbringung
§ 67 d Abs. 4 StGB
Erreichen der Höchstfrist bei der Unterbringung gem. § 64 StGB = Eintritt von Führungsaufsicht
§ 67 d Abs. 2 StGB
Zum Überprüfungszeitpunkt gem. § 67 e StGB wird die Maßregel zur Bewährung ausgesetzt = Eintritt von Führungsaufsicht
§ 67 d Abs. 5 StGB
Unterbringung gem. § 64 StGB wird für erledigt erklärt = Eintritt von Führungsaufsicht;
Die Strafvollstreckungskammer muss gleichzeitig über den Strafrest entscheiden. Die Überführung in die zuständige JVA ist sofort zu veranlassen mit Formular GTV 1.
Oberlandesgericht Hamm, 3 Ws 72/16:
1. Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen die Entscheidung der Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67 d Abs. 5 StGB hat keine aufschiebende Wirkung. 2. Der Untergebrachte kann die Verlegung in die Strafhaft (nur) durch einen Antrag, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung gemäß § 307 Abs. 2 StPO auszusetzen, verhindern.
§ 67 d Abs. 6 StGB
Unterbringung gem. § 63 StGB wird für erledigt erklärt
= Eintritt von Führungsaufsicht (Abweichung möglich)
§ 67 f StGB:
Ordnet das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an, so ist eine frühere Anordnung der Maßregel erledigt. = Keine Führungsaufsicht
Wichtig außerdem:
§ 67 h StGB, Krisenintervention (Befristete Wieder-Invollzugsetzung bei ausgesetzter Maßregel)
- Während der Dauer der Führungsaufsicht kann das Gericht die ausgesetzte Unterbringung nach § 63 oder § 64 für eine Dauer von höchstens drei Monaten wieder in Vollzug setzen, wenn eine akute Verschlechterung des Zustands der aus der Unterbringung entlassenen Person oder ein Rückfall in ihr Suchtverhalten eingetreten ist und die Maßnahme erforderlich ist, um einen Widerruf nach § 67g zu vermeiden. Unter den Voraussetzungen des Satzes 1 kann es die Maßnahme erneut anordnen oder ihre Dauer verlängern; die Dauer der Maßnahme darf insgesamt sechs Monate nicht überschreiten. § 67g Abs. 4 gilt entsprechend.
- Das Gericht hebt die Maßnahme vor Ablauf der nach Absatz 1 gesetzten Frist auf, wenn ihr Zweck erreicht ist.
Merke: Der (Maßregelkoordinierungs-) Rechtspfleger hat beim zuständigen Landschaftsverband sofort um einen MR-Platz nachzusuchen und den Beschluss/Urteil/Gutachten zu faxen. Sobald ein Platz zur Verfügung steht, ist der Beschluss der Polizei zur sofortigen Festnahme und der zuständigen Transportbehörde (JVA) per Fax zu übermitteln.
Berechnungsweise bei der Maßregelvollstreckung ganz konkret:
OLG Koblenz, 1 WS 1005/01 - Vor Beginn des Maßregelvollzugs erlittene Untersuchungshaft ist zunächst gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen.
- Erst danach ist gemäß § 67 Abs. 4 S. 1 StGB der Maßregelvollzug auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen, wobei für diese Anrechnung nur noch der durch die frühere Untersuchungshaft noch nicht erledigte Rest von zwei Dritteln der erkannten Freiheitsstrafe zur Verfügung steht.
- Eine zwischen Rechtskraft des Urteils und Aufnahme in den Maßregelvollzug erlittene Organisationshaft ist hingegen auf das letzte Strafdrittel anzurechnen. Fischer, Strafgesetzbuch, 62. Aufl., § 67d Rn. 6;
- Die Berechnung der Höchstfrist einer Maßregel i.S.d. § 64 StGB richtet sich nach § 67d Abs. 1 StGB i.V.m. § 67 Abs. 4 StGB. Daraus ergibt sich die allgemein anerkannte Formel:
Grundfrist (§ 67d Abs. 1 Satz 1 StGB) zzgl. des anrechnungsfähigen Teils der Maßregel nach § 67 Abs. 4 StGB abzgl. anderweitig erledigter Teile der Strafe (z.B. §§ 51 StGB; 81, 126 a StPO)
U-Haft tHaftHaftHaft
Strafe min. U-Haft
Rest-Drittel
anrechenbar
Verlängerung
Restdrittel
U-Haft tHaftHaftHaft
Organisations-haft
Verlängerung
Maßregel 2 Jahre
Restdrittel minus Organisationshaft
Strafe - U-Haft
Restdrittel
U-Haft
Strafe-U-Haft
Restdrittel
Verlängerung
Restdrittel minus Organisationshaft
anrechenbar
Organisationshaft
Maßregel 2 Jahre
Maßregel 2 Jahre
2 Ws 332/00
Wichtig: auch vorläufige Unterbringung gem. §§ 81, 126 a StPO wird auf Strafe angerechnet!
BVerfG 2 BVR 1019/01:
Das BVerfG hat die Organisationshaft als „gesetzlich nicht vorgesehen(e)“ und einen „Verstoß gegen § 67“ begründende - „Regelwidrigkeit“ bezeichnet. Für die Zeit von der Rechtskraft bis zur Überführung in die Maßregel, die sogenannte Organisationsfrist, gibt es keine „feste Zeitspanne“; die StA hat alle Mittel auszuschöpfen, um den Verurteilten schnellstmöglich in die MR zu überführen, notfalls in einem anderen Bundesland. Merke: Falls kein Platz zur Verfügung steht, Bericht an den MdJ!
Berechnung der Maßregelhöchstfrist Praxismethode mit Organisationshaft: